Kleiner Kirchenführer zur Pfarrkirche


Zum Heiligsten Erlöser - Traunreut

Die katholische Pfarrkirche Traunreuts ist ein eindrucksvolles Zeugnis sakraler Baukunst des vorigen Jahrhunderts. Vor allem drei Faktoren haben dazu geführt, dass dieses Bauwerk so ermöglicht wurde:

Die völlig neue Situation einer auf dem Gebiet der Heeresmunitionsanlage (MUNA) entstehenden Gemeindestruktur,
die Bereitschaft und Planungssicherheit des ersten Pfarrers von Traunreut Dr. Wendelin Stöttner, diese Gunst der Stunde zu nutzen
und das gelungene Zusammenwirken Pfarrer Stöttners mit dem Architekten Hans Döllgast.

Der junge Doktor der Theologie und Philosophie Wendelin Stöttner kam 1952 nach 14-jähriger Tätigkeit als Diözesanjugendseelsorger nach Traunreut. Sein Ziel war es, die Pfarrseelsorge zeitgemäß und den Menschen nahe zu organisieren. Dies sollte sich auch im Kirchenbau niederschlagen.

Prof. Hans Döllgast (1891-1974) hatte sich bereits durch einige Kirchenneubauten vor dem Zweiten Weltkrieg einen Namen gemacht (z.B. Pfarrkirche Hl. Blut, 1933/34). Nach dem Krieg prägte der Architekt und Graphiker durch sein Wirken an der Technischen Hochschule (heute TU) Generationen von Architekten.

Die Weihe der Kirche fand am 14.11.1954 durch Joseph Cardinal Wendel statt. Damals stand nach sehr kurzer Bauzeit nur der Zentralraum ohne die Seitenschiffe. Auch einen Kirchturm gab es 1954 noch nicht.

Der Zentralbau besticht durch seine Einfachheit. Die klare Gliederung vermittelt ein Harmoniegefühl. Hans Döllgast spielte architektonisch mit offenen Karten. Alles ist sichtbar. Zum Charakteristikum des Architekten wurden daher die offenen Dachkonstruktionen, die außer in Traunreut auch etwa in der teilrenovierten Allerheiligenhofkirche der Münchener Residenz oder der Klosterkirche St. Bonifaz in München zu sehen sind. Zweck und schlichte Schönheit geben sich bei Döllgast versöhnt die Hand. So wurde der Beton-Ringanker, der die Wände trägt, im Geiste Döllgasts nach der jüngsten Renovierung im Jahr 2000/2001 durch graue Farbgebung wieder hervorgehoben und gibt den Wänden ein klare Gliederung. Dieses Spiel mit den Proportionen und den sichtbaren tragenden Elementen reflektiert die Erkenntnis antiker und mittelalterlicher Sakralbauten: Das Wesentliche und Wahre ist auch das architektonisch Richtige und damit geeignet, das Heilige zu beherbergen und auszudrücken.

Patrozinium

Die Kirche ist dem „Heiligsten Erlöser“ geweiht, wie eine von zwei Engeln gerahmte Aufschrift an der Westfassade, angefertigt von Lothar Sperl 1963, nach außen demonstriert. 

Das Patrozinium hat in der Lateranbasilika in Rom ihr Vorbild. Dr. Stöttner setzte mit der Auswahl dieses Christus-Patroziniums ein deutliches Zeichen für jene Form der Christus-Spiritualität, die in der katholischen Jugendbewegung zwischen den Weltkriegen aufkeimte, sich in der Zeit des Nationalsozialismus bewährte und die schließlich die Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils entscheidend prägte.

Altar und Tabernakel

Noch während des Konzils, am 23.10.1965, wurde der Hauptaltar von Weihbischof Neuhäusler geweiht. Der Altar und der Steinsockel des Tabernakels wurde von Hubert Elsässer geschaffen. Der Tabernakel stammt von A. Hößle.

Ambo

Den Ambo schuf ebenfalls Hubert Elsässer. Dargestellt wird die Hand des Sämanns aus dem Gleichnis Jesu. Die Samenkörner des Wortes werden kraftvoll ausgestreut. Hinter dem Ambo an der Rückwand befindet sich der Evangelienschrein. In Anlehnung an den Toraschrein in einer jüdischen Synagoge wird das Evangeliar nach dem Verlesen des Evangeliums dort aufbewahrt und bleibt so während der Liturgie sichtbar gegenwärtig.

Kreuz

Dominiert wird der Altarraum von dem großen Kreuz. Den Gekreuzigten fand Dr. Stöttner an einer Stadelwand in Grafetstetten, Pfarrei Palling. Vor der neugotischen Umgestaltung der Pallinger Pfarrkirche befand sich der Corpus an dem dortigen Deckenkreuz. Dr. Stöttner dachte zunächst daran, den Corpus für die Traunreuter Kirche auszuleihen. Da Prof. Döllgast davon aber begeistert war, gelang es Pfr. Stöttner, den Gekreuzigten für die Traunreuter Kirche zu gewinnen.

Gegensatz Krone und Kreuz

Das Kreuz war ursprünglich an der Altarrückwand angebracht und wurde erst mit der Errichtung des neuen Hauptaltars nach vorne versetzt. Die theologische Aussage des Gesamtensembles lautet : Christsein zwischen Kreuz und Krone. „Die Härte des Kreuzes wird überstrahlt vom Glanz des Goldes“ (Dr. Stöttner). Durch die Kombination dieser Bildwerke im Altarraum wird dem Auge das Erlösungswerk Christi erschlossen.

Maria und Marienbild

Die Holzskulptur der Gottesmutter stammt von dem Bildhauer Siegfried Moroder. Maria wird uns vorgestellt als Thron Christi. Der Jesusknabe verweist auf das Kreuz, womit auch die Mariendarstellung der Kirche einbezogen ist in den Gegensatz Kreuz-Krone.

Im rechten Seitenschiff befindet sich auch ein Marienbild des Priener Malers Bartholomäus Wappmannsberger. Als Kopie der „Isenheimer Madonna“ von Matthias Grünewald weist es doch eine deutliche Abweichung vom Original auf: Im Hintergrund sind Häuser und der Kirchturm von St. Georgen zu sehen.

Schmuckband

Fortgesetzt wird der sich in der Erlösung durch Christus auflösende Gegensatz Kreuz – Krone in dem Schmuckband, das nach einem Entwurf des Kunstmalers M. Hollmann Kreuze und Kronen thematisiert und in dem Spruch gipfelt: Sei treu bis in den Tod und ich werde dir die Krone des Lebens geben.“ (Offb 2,10)

Taufbrunnen und-Kapelle

Im hinteren Teil des linken Seitenschiff befindet sich die Taufkapelle. Bei dem Taufbrunnen handelt es sich um einen Findling aus dem Harz. Das lebendige Wasser ist ein weiteres Grundmotiv des von Dr. Stöttner entworfenen Programms der Kirche. So steht der Taufbrunnen genau diagonal gegenüber dem ersten Fenster rechts vorne (Wasser quellt aus dem Tempel hervor). Dieser Gedanke erfuhr 2002 eine Fortführung mit der Errichtung eines Brunnens an der Ostseite der Kirche (vgl. Ez 47,1).

Fenster

Seit Ostern 1957 hat die Traunreuter Kirche die bunten Glasfenster in ihrer heutigen Gestalt. Die Entwürfe stammten von Prof. Oberberger, ausgeführt wurden die Arbeiten in der Mayer´schen Hofkunstanstalt, München.

In der Thematik der Fenster stehen sich Erstes (Altes) und Zweites (Neues) Testament gleichwertig gegenüber. Der Kirchenbesucher wird sozusagen umgeben von der gesamten Heilsgeschichte. Die Themen der Fenster im einzelnen, beginnend vorne rechts (vom Haupteingang blickend), dann im Uhrzeigersinn weiter:

rechte Steite, Erstes (Altes) Testament:

1. Ez 47,1-12: Wasser, das aus dem Tempel hervorquellt

"Wohin der Fluss gelangt, da werden alle Lebewesen, alles, was sich regt, leben können." (Ez 47,9)

2. Gen:8,8-17: Die Rückkehr der Taube nach der Sintflut

"Gegen Abend kam die Taube zu ihm zurück und siehe: In ihrem Schnabel hatte sie einen frischen Ölzweig." (Gen 8, 11a)

3. Gen 15,1-6: Der Abrahamsbund

"Sieh doch zum Himmel hinauf und zähl die Sterne, wenn du sie zählen kannst! So zahlreich werden deine Nachkommen sein." (Gen 15,5)

4. Ex 12,1-13: Das Paschamahl

"Dieser Monat soll die Reihe eurer Monate eröffnen, er soll euch als der Erste unter den Monaten des Jahres gelten. Sagt der ganzen Gemeinde Israel: Am Zehnten dieses Monats soll jeder ein Lamm für seine Familie holen, ein Lamm für jedes Haus." (Ex 12,2-3)

5. Ex 13,20-22: Die Rettung am Schilfmeer

"Der HERR zog vor ihnen her, bei Tag in einer Wolkensäule, um ihnen den Weg zu zeigen, bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten. " (Ex 13,21)

6. Num 13,21-28: Der Bericht der Kundschafter über das gelobte Land

"Wir kamen in das Land, in das du uns geschickt hast: Es ist wirklich ein Land, in dem Milch und Honig fließen. Das hier sind seine Früchte. " (Num 13,27)

linke Seite, Zweites (Neues) Testament

1. Mt 13,44-46: Das Gleichnis vom Schatz und der Perle

"Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn und grub ihn wieder ein. Und in seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker. " (Mt 13,44)

2. Mt 5,14: Das Gleichnis vom Licht der Welt

"Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben." (Mt 5, 14)

3. Lk 15,22-31: Das Gleichnis vom Barmherzigen Vater

"Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt einen Ring an seine Hand und gebt ihm Sandalen an die Füße! Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. Denn dieser, mein Sohn, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. " (Lk 15,22-24)

4. Joh 2,1-11: Die Hochzeit von Kana

"Seine Mutter sagte zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut! " (Joh 2,5)

5. Offb 2,10: Sendschreiben an die Gemeinde in Smyrna

"Fürchte dich nicht vor dem, was du noch erleiden musst! Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, um euch auf die Probe zu stellen, und ihr werdet in Bedrängnis sein, zehn Tage lang. Sei treu bis in den Tod; dann werde ich dir den Kranz des Lebens geben." (Offb 2,10)

6. Offb 21,1-21: Das neue Jerusalem

"Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein. " (Offb 21,3)

Nicht in die Thematik der Fenster einbezogen ist das von M. Hollmann entworfene Heilig-Geist-Fenster des rechten Seitenschiffs, das 1964 errichtet wurde.

Das Rückfenster über der Empore stellt eine Szene aus der Offenbarung des Johannes dar: Die Huldigung vor dem Thron Gottes (Offb. 4,1-11)

Dargestellt wird die Herrlichkeit Gottes auf ihrem Thron. Die Cherubim mit ihren 6 Flügeln verschmelzen gestalterisch mit den Symbolen der 4 Evangelisten. Jes 6 und die Motive der Johannesapokalypse formen ein Gesamtbild, das Erlösung darstellt. Der Kirchenbesucher, der die Kirche nach Westen verlässt, hat vor Augen: Durch das Geschehen, das im Gottesdienst vergegenwärtigt wird, darf ich mir meiner Würde neu bewusst werden. Die vielen Kronen im Fenster symbolisieren, dass jede und jeder die Kirche Zum Heiligsten Erlöser beschenkt mit der Krone der Erlösung verlässt.

Thomas Schlichting / Thomas Tauchert

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